10. - 11. Juli / Russland

 

 

Hier seht ihr meine aktuelle Position.

 

 

10. Juli / Russland / Ist jetzt meine Welt zusammengebrochen?

Wladiwostok (zu deutsch: Beherrsche den Osten) war für mich eine Stadt die bis 1991 für Ausländer gesperrt war und wo die russische Pazifikflotte liegt. Ich dachte da leben ein paar 1.000 Leute, wenn überhaupt. So denken wohl die meisten bei uns, man macht sich keine Gedanken über diese Stadt in Sibirien. Dorthin verschleppt man nur Menschen die man loswerden will ist wohl eher der Gedanke. Während des Bestehens der Sowjetunion stieg die Einwohnerzahl der Stadt rasant an, von etwas über 100.000 im Jahr 1926 auf fast 650.000 Anfang der 1990 er-Jahre. Wirtschaft gab es schon immer, als ich das Kaufhaus ¨Kunst und Albers¨ sah und mir der Honorarkonsul sagte, dass das ein Hamburger schon 1864 gegründet hat, da fiel mir das auch wieder ein, ich hatte mal einen Bericht darüber gesehen. Dieser Hamburger war der erste Mensch der Welt der ein Kaufhaus baute und das hier im Fernen Osten.

Die Straße hierher war für Fahrradfahrer nicht die freundlichste, überhaupt ist Radfahren nicht populär hier. Es ist im Winter lausig kalt, 20 Grad minus ganz normal, über Schnee muss man nicht reden und die Stadt ist echt bergig, der Junior wurde einige Meter geschoben. Wobei die Straßen viel besser sind als die Bürgersteige, dass ist hier in Russland aber allgemein so. Bürgersteige werden wie ungeliebte Stiefkinder behandelt. Überall fehlen Platten, sind Löcher ja und an einer Stelle war ein großer Teil den Abhang runter gegangen.

Und trotzdem ist der Radfahrer von dieser Welt nicht wegzudenken, er schlägt sich auch hier in Sibirien durch. Er scheint zäher zu sein als der Sibirische Bär oder Tiger, die habe ich nicht gesehen. Aber einige Radfahrer auf Mountainbikes. Einer schlich eine ganze Weile im Verkehr um mich rum, mal war er da und ich da und dann ich da und er da. He he. Hier ist echt viel Verkehr und die Autos stehen an den Bergen kreuz und quer und warten, dass was geht, man fährt so drum herum. Ein wenig wie Istanbul oder Kairo, nur hupt hier nicht jeder wie irre.

Ein kurzes Gespräch über meine Tour und den Weg in die Stadt am Straßenrand mitten im fließenden Verkehr und schon ging es mit einem Schulterschlag der Anerkennung weiter ins Zentrum. Diese Stadt könnte irgendwo in Europa sein, die Enflüsse sind noch deutlich zu sehen. Toll, dass der Kern so super erhalten ist.

In meinen Vorstellungen und der der Leute die ich kenne war hier die Welt zu Ende. Randstreifen an Straßen mussten nicht mit Asphalt gemacht werden weil dort nur der Russische Bär unterwegs ist und Straßen wohl so und so nicht vorhanden sind und wenn dann schlecht. Hier ist alles anders als gedacht. Eine Hafenstadt mit Wirtschaft und einer ganzen Menge Leben......

 

 

04 Juli / Russland / Sowas sieht man sonst im Fernsehen....

 

 

Yaruslav, der Honorarkonsul Deutschlands in Wladivostok, warum ein Russe das macht muss ich noch erfragen, hat mich um 10:00 Uhr abgeholt vom Hotel. Wir sind schon seit Tagen am schreiben.Karl hatte den Kontakt hergestellt um dass ich mich erkundigen kann wie es mit Inklusion in diesem Teil der Welt aussieht. Yaruslav ist ein sehr bodenständiger Typ und hat alle meine Ideen mit seinen Verbindungen zusammen getan. Er hat sogar kurzerhand die Idee etwas mit dem Behindertenverband zu machen, der mir ja schon seit Sankt Petersburg zur Seite steht, aufgenommen. Und so kam etwas zustande was ich noch nicht erlebt habe. Boh, es sprudelt gleich aus mir raus, aber halt, vorher ging es noch in den Hafen.

Die letzten Tage hatte ich mich ja echt geschunden, mein Körper hat mich bestimmt mal wieder gehasst, was ich dem schon alles angetan habe, bin froh, dass der das alles so mitmacht. Der Grund für die Schinderei war der Start der Fähre am 12. Juli um 14:00 Uhr. Im Internet war nichts mehr zu machen, 48 Stunden vorher geht nichts mehr. Ich dachte mir unterwegs, dass ich die Zeit ausnutzen werde bis zur letzten Minute. Es war unter den Bedingungen, mit Hitze, Berge und Straßen ohne Standstreifen echt noch zwei Tage vorher nicht abzusehen ob ich pünktlich bin. Als ich Sonntag sicher war, dass ich es irgendwie schaffen werde habe ich gebucht. Durch die Zeitverschiebung und wohl auch das Wochenende hat mir Afery keine Bestätigung mehr senden können für dieses Boot. Sie müssen sich auch erst ein Ok von der Reederei holen. Ich schrieb ihnen, dass ich versuchen werde im Hafen etwas zu erreichen. 

Der Honorarkonsul persönlich und ich stapften also ins Büro der Reederei und es begann eine lange Unterhaltung mit der netten Dame und ihm. Sein Gesicht sah nicht zuversichtlich aus, und egal was die Frau probierte und kommentierte es wurde nicht besser. Er sah mich von Zeit zu Zeit an und schüttelte leicht den Kopf und verzog das Gesicht zu einem ¨Das sieht nicht gut aus¨. 
Am Ende war es so, dass es kein Ticket gab, ich wusste aber, dass der Junior ganz normal aufs Boot kann, allerdings kostet das echt 70 Euro, eine stolze Summe für eine Fähre. Holla.

So nun war es amtlich ich saß fest, meine Befürchtungen waren eingetroffen, ich am Ende der Welt allein gelassen von allen....

Mein Begleiter schaute immer wieder auf die Uhr, wir hatten einen Termin mit der Presse, dem Fernsehen und dem VOI, dem obersten Behindertenverband Russlands. Wir mussten machen. Wir wurden wieder abgeholt, standesgemäß in einem Mercedes ML, und fuhren nun in eine Art Pressehaus. Man wartete schon auf uns. 
Wir mussten schnell durch eine Schleuse und schon bogen wir nach links ab. Nach links kann ich besser sehen als nach rechts. Das ganze Ausmaß der Geschichte die ich da angeleiert hatte war also auch gut für mich zu sehen. Scheiße - ein riesiger Presseraum oh Mist. Also die letzen Jahre habe ich ja einiges erlebt mit Presse und Fernsehen. Ich war in einigen Botschaften und habe den Papst getroffen. Das hier lies mich kurz tief durchatmen. An jedem der Plätze saß jemand, alle lächelten mich freudig an und begrüßten mich freundlich.

Ich sollte an der Stirnseite Platz nehmen, oh Mann. Mir wurde mein Dolmetscher vorgestellt und schon sagte man mir, dass ich mich doch mal bitte kurz vorstellen und etwas zu meinem Vorhaben erzählen soll. Na dann, auf den Mund bist du ja zum Glück nicht gefallen.
Steife Minen, och versuchte ein paar Anekdoten  einzubauen und hoffte, dass der Übersetzer gut war. Die Leute lächelten, sie lachten. Pah, das Eis war gebrochen. Wir tauschten uns über die Verhältnisse im Sport und im Alltag von behinderten Menschen in der Region aus und vereinbarten, dass wir uns die Tage noch einmal treffen. Es war auch eine Trainerin da die Taucher ausbildet, man will mir das mal zeigen, weil mich das interessiert und man gespannt ist was ich dazu so sage. Alles lief gut, hinterher gab es noch Gespräche, Bilder, Händeschütteln und einen kleinen Dreh fürs Fernsehen. Ich bin so in den Nachrichten der News gelandet und in den News der Presse. Cool, das Motto das ich mitgenommen habe auf der Reise Inklusion braucht Aktion¨ hat voll eingeschlagen. Und etwas Budenzauber mit der Inklusionsfackel kommt immer gut an.. EIN VOLLER ERFOLG

Das Auto holte uns wieder ab und es ging in die Lutersche Kirche zu Pfarrer Brockmann der schon seit 25 Jahren in Russland lebt und die evangelische Gemeinde hier wieder aufbaut. Er hat  die Kirche als Armeemuseum vorgefunden und musste sie mit vielen Spenden wieder in Schwung bringen. Ein Achzig jähriger der voll fit ist. Er geht jeden Morgen, wenn kein Eis ist ne Runde schwimmen. 

Er zeigte mir alles, ich hatte so viele Fragen. Yaruslav hatte uns etwas Zeit gegeben, er selbst musste für etwa 90 Minuten weg und würde mich dann wieder abholen. Ich landete mit dem Pfarrer in einem kleine Cafe nur 20 Meter neben der Kirche. Alle meine Fragen blieben offen. Der Pfarrer fragte mich über mein halbes Leben aus und meinte ich sei ein interessanter Mensch. Dabei paffte er eine Zigarre und lauschte mir. 
Die Zeit verging wie im Flug, ich hatte doch noch so viele Fragen. Na ich wurde noch zum Konzert am Wochenende eingeladen. Von Freitag bis Sonntag sind immer welche in der Kirche. Klingt übrigens sehr gut, man hat gerade geprobt als wir dort waren. Darum sind wir auch ins Cafe. 

Ich wurde zurück zum Hotel gebracht. Ich war irgendwie glücklich, dass die Fähre nicht mit mir ablegen wird, die nächsten Tage werden interessant und ich werde bestimmt wieder tolle Sachen erleben.....

 

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