Seh- und gehbehindert: Mit dem Pino von Berlin nach Tokio /13.-15. Juli

In Venedig angekommen

13. Juli

Dem Wetter entfliehen, ja genau das ist das Ziel. Bis jetzt sind wir jeden Tag nass geworden und die Vorhersagen sind nicht gut. Auf der anderen Seite der Alpen soll es besser sein. Also ist der neue Plan nach Venedig mit dem Zug zu fahren und dann von dort zu starten. 

Von Innsbruck geht es weiter mit der Bahn, die Österreicher haben uns schon einiges abgeknöpft aber es kommt noch besser. Ich denke, dass es so ist wie bei uns, eine Fahrkarte sollte man schon einiges im Voraus kaufen, da bekommt man noch Angebote. Einen Tag vorher oder am Tag der Reise ist der volle Preis fällig. Aua - das tut weh.

Die Radwege in Innsbruck sind komisch angelegt, mal sind sie da, dann auf der anderen Straßenseite und dann einfach weg. Ich habe noch kein System erkennen können. Wohl immer mal da wo Platz war. Dem Auto wird auch hier ordentlich der Rücken freigehalten. Wir mussten mal wieder auf die Straße ausweichen, wir wollten zum Bahnhof und es ging nach links weg. Um da abzubiegen mussten wir die Schienen der Straßenbahn kreuzen. Ich kenne Schienen seit ich denken kann und weiß wie man sie ansteuern muss, beim Pino sitzt das Vorderrad aber unterm Hintern vom Vordermann, das hatte ich beim Queren der Schienen nicht richtig berechnet und schon blieben wir in den Schienen hängen. 
Wieder einmal alles richtig gemacht, hätte ich bestimmt in Gedanken zu mir gesagt, wenn Annett nicht solche Angst gehabt hätte. Wenn wir nicht mitten im Verkehr gesteckt hätten. wäre sie bestimmt abgesprungen, so musste sie sitzen bleiben und ich beruhigte sie. Ich erzählte ihr, dass das Rad sicher ist, (nun konnte ich mir indirekt doch noch auf die Schulter klopfen) da ich extra breitere Reifen montiert habe um nicht gleich im Sand zu versinken, an Schienen hatte ich dabei echt nicht gedacht, aber siehe da, es half auch hier, wir kamen leicht wieder raus. Sie verfluchte das Tandem, sie hatte keine eigene Kontrolle, ich erklärte ihr, dass sie mit ihrem eigenem Rad auf jeden Fall auf der Straße gelegen hätte. Ich erzählte ihr auch, dass mein Sattel zum Fahren nicht optimal seine Höhe hat, ich dabei aber lieber auf Sicherheit gegangen bin um das Rad besser abfangen zu können, also etwas tiefer. Ich komme mit beiden Beinen auf den Boden ohne mit dem Hintern in eine Richtung rutschen zu müssen. Jetzt entwaffnete sie mich trotzdem. Sie erklärte mir, dass sie nicht auf der Straße abgebogen wäre sondern auf dem Bürgersteig geschoben hätte. Mir wurde klar, wie schwer es für sie war die Kontrolle abzugeben.  

Die Züge in Italien sind nicht sehr Fahrrad freundlich, ein Abteil für Fahrräder, und das ganz vorne, blöd wenn du nicht weißt von wo der Zug kommt. Die Abteile selbst sind klein und bieten nur etwa sechs Rädern Platz. Man kann das Abteil auch nicht beliebig vollstellen da ein Gang in der Mitte bleiben muss, da der Schaffner da noch durch muss, er sitzt beim Lokführer und der genau vor diesem Abteil,
Es geht drei Stufen hoch, nicht so leicht und die Türen sind so schmal, dass man nicht einmal einen Hänger durch bekommt, der Lenker vom Pino ging auch nur mit Mühe durch. Es kamen an einem Bahnhof noch sechs Räder dazu und so waren wir, die als erstes einstiegen, praktisch gefangen. Mit einiger Mühe und Händen und Füssen konnten wir aber auch ohne italienisch zu sprechen erklären, dass wir raus müssen. Eine andere Zugart hat tiefere Einstiege, so wie unsere modernen Züge, die Abteile sind auch so klein, die Türen etwas breiter.

Am Nachmittag kamen wir in einem Vorort von Venedig an, das Wetter war trübe und wir hofften noch trocken im Hotel anzukommen, es waren ja nur zwei Kilometer bis da. Nur 750 m vor dem Hotel ging nichts mehr, Gewitter und so starker Hagel, dass die Regensachen zwar das Wasser nicht rein ließen, wir uns aber unterstellen mussten. um uns vor den fetten Hagelkörnern, die wie Geschosse durch die Gegend flogen, zu schützen. Nach 45 Minuten ging es dann endlich weiter.

14. Juli

Ein Tag in Venedig. Man hat ja immer so seine Vorstellungen von Dingen/Orten die man nicht kennt. Meine Erwartungen von Venedig waren so halb und halb.
Das die Stadt überlaufen sein wird war glaube klar, wobei es Gassen gibt wo du echt auch mal alleine bist. Den Canale Grande hatte ich mir nicht ganz so breit vorgestellt, wenn man aber sieht wie viele kleine- und große Boote, die großen als Taxis, fahren, ist er gerade ausreichend. Die kleinen Gondeln die hier schippern haben zu tun ihre Gäste nicht so übers Wasser zu bringen, dass diese denken es sei eine Fahrt mit der Achterbahn. 

Wir schnappten uns auch so ein Taxiboot, da gehen bestimmt 80 -100 Leute drauf. Wir fuhren ans andere Ende zur Piazza San Marco, wohl einer der bekannteren Plätze auf den immerhin 118 Inseln in der Lagune. 
Wo ich vollkommen falsch lag war die Tatsache, dass es nicht so riecht wie ich dachte, eine Stadt die seit Jahrhunderten im Wasser liegt musste für meine Begriffe etwas vermodert riechen, ich habe nichts dergleichen wahr genommen.

Unseren Rückweg traten wir zu Fuß an, wir wollten so viel wie möglich sehen was jetzt nicht gerade total vom Tourismus geprägt ist. Der Weg zum Hafen war kürzer als angenommen um aber die wichtigsten Dinge zu sehen braucht man bestimmt drei Tage. Wir schlenderten durch die Gassen und dank einer guten Orientierung standen wir nur einmal am Wasser und kamen nicht weiter, wir waren aber nicht die Einzigen die es in die Sackgasse verschlug, auf dem Rückweg kamen uns noch einige entgegen. Ein Kaffee dort ein lecker Eis da - das können sie Echt - besseres Eis findest du fast nirgends auf der Welt.

15. Juli

Wir lassen es ruhig angehen, 60 Kilometer ist das Maximum was wir an einem Tag planen. Der Radweg ist ganz gut ausgeschildert, bis er es nicht mehr ist. Wir finden uns auf einer der befahrendsten Straßen wieder und in Annett steigt leichte Panik auf. Die Italiener fahren eigentlich weit genug an dir vorbei. Hier ist es aber eher so, dass sie einfach überholen auch bei Gegenverkehr, der rutscht dann gerne, bei uns gäbe es ein tolles Hupkonzert. Wir müssen runter von der Straße, es wird zu viel für Annett und wenn sie unter Stress steht färbt das automatisch auf mich ab - blöd.
Der erste Versuch über Nebenstraßen zu fahren endet in einem Industriegebiet, auf einer Anhöhe, in einer Sackgasse, freier Blick auf die Straße unter uns. Bei Google Maps entdecke ich, dass wir nicht den ganzen Weg zurück müssen. Es gibt eine Fußgängerunterführung, diese führt auf die andere Seite unter der Bahn und Straße durch aber eben wieder auf die große Straße. Hinter der großen Straße stehen eine Reihe Häuser, dahinter der Fluss und dahinter unser Radweg. Praktisch unerreichbar.
Der Verkehr wird dichter und dichter und wir müssen ein paar Brücken überqueren, verdammt eng hier.
Kurzer Check, wir müssten hier noch etwa 5 km fahren dann würde eine Brücke auf die andere Seite gekommen. Bis dahin müssten wir aber noch drei Brücken auf dieser Höllenstraße fahren. 

Um Annett/uns zu entlasten suche ich noch eine andere Möglichkeit. Auf unserer Seite des Flusses geht eine Straße quer durch die Berge ans Ziel der Tagesetappe, es wird wohl schwerer aber es nutzt nichts. Rein in die Berge und die Straße wird schmaler und schmaler, es geht höher und höher, es ist bald nur noch ein Zubringer für ein paar Häuser hier ganz oben am Berg. Wir müssen schieben, es sind 35 Grad und bergab ist es so steil, dass Annett an den meisten Stellen läuft, Wandertag.  

Als wir über viele ¨Umwege¨ wieder auf einer etwas größeren Straße sind läuft es endlich wieder. Der Verkehr ist in Ordnung und da es an einem Fluss entlang geht sind die Steigungen auch moderat.
Wir haben es morgens schon im Internet gesehen, am Nachmittag soll es regnen, ja sogar Gewitter geben. In den Bergen kann das heftig werden darum waren wir froh, dass unser Plan es her gab dann schon am Ziel zu sein. Der Plan war seit Stunden ein anderer, wir hatten einen viel anstrengenderen Weg hinter uns und natürlich mehr Zeit verbraucht. Hier in den kleinen Bergdörfern gab es keine Unterkünfte, wir mussten hier jetzt durch.

Eine Stunde Gewitter bescherten uns die Wolken die am Berg hingen, man konnte aus unserem Tal kaum die Gipfel erkennen weil der Regen so dicht war. Blitze, Donner und wir an die Wand einer Scheune gedrückt. Das Dach hatte kaum Überstand und so waren wir dem Wetter voll ausgesetzt. Nach etwa 30 Minuten kam eine Frau aus dem Haus gegenüber mit einem Schirm raus und deutete uns an, dass wir bei ihr unter dem Vordach Schutz suchen können. 
Ich lies Annett alleine gehen, der Weg hoch zum Unterstand führte über ein paar Steine die ich nicht hoch gekommen wäre, außerdem musste einer beim Rad bleiben. 
Irgendwann war der Spuck vorbei, nach jedem Regen kommt Sonnenschein.

Eine Unterkunft gab es dann zwei Orte weiter auch. Wir hatten mehr Kilometer zurückgelegt als gewollt, es war viel anstrengender und das Wetter tat sein übriges. 
Schnell noch eine von diesen super Pizzen in Italien zum Abendbrot und hoffen, dass bis zum nächsten Morgen wieder alles trocken ist, wir sind bis auf die Haut durch gewesen, die Regensachen haben bei dem Wetter nicht mehr so viel genutzt.  

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Kommentar von Claudia H. |

Tolle Fotos und sehr lebendiger Bericht. Bin gespannt, wie's weitergeht ...

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